Es war ein abschreckendes Urteil nach einer langen Untersuchungshaft: Die immer noch „unbekannte Person Nr. 1“ wurde vom Amtsgericht Alsfeld zu zwei Jahren und drei Monaten Haft verurteilt. Das dramatische Gerichtsverfahren basierte dabei komplett auf Erfindungen. Mehrere SEK-Polizisten tischten eine frei erfundene Story zu den Abläufen bei der Räumung der Waldbesetzung gegen die A49 im Herbst 2020 auf. Sie phantasierten von Fußtritten und Kniestößen, Lebensgefahr, Todesangst und Verletzungen. Geschwärzte Atteste mit gar nicht zum Tattag passenden Daten wurden als Beweise akzeptiert, Widersprüche zwischen Aussagen am Tag selbst und den konstruierten Vorwürfen Tage oder Wochen später zu Missverständnissen umetikettiert. Es war völlig klar: Mit „Ella“, die wie unbekannte Person (UP1) genannt wird, war ein Zufallsopfer gefunden, um die ganze Bewegung zu diskreditieren und abzuschrecken.
Am 30.9.2019 besetzten Aktivistis die Trasse der geplanten A49 im Dannenröder Wald. Sie wollten die Rodung der wertvollen Baumbestände verhindern und eine lautes Zeichen für eine echte Verkehrswende setzen. Ein Jahr lang prägten phantasievolle Aktionen, das Basteln von immer mehr Baumhäusern und vieles mehr den Protest, der bundesweite Schlagzeilen machte und das Autoland Deutschland durchschüttelte. Doch die Betonlobby wollte nicht aufgeben. Am 1. Oktober 2020 griff der Staat an. Baum für Baum wurden die Besetzis heruntergeholt – mal mehr, mal weniger sanft. Am 26.11.2020 standen sie im Baumhausdorf „Nirgendwo“ und trafen dort neben vielen anderen auf … Ella.
Ella – das ist der Name für die seit dem 26.11.2020 im Gefängnis Frankfurt-Preungesheim einsitzende unbekannte Person Nr. 1. Bis heute haben Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte weder Namen noch Herkunft ermitteln können. Dennoch bzw. deswegen statuieren sie an ihr ein Exempel der Abschreckung. Die Losung ist klar und richtet sich an alle, die Profit- und Machtinteressen in die Quere kommen: Wir sitzen am längeren Hebel. Wir entscheiden, was passiert. Ruhe ist die erste Bürger*innenpflicht.
Wie das in der Praxis aussehen sollte, zeigte die Armada maskierter Sondereinsatzkräfte gleich zu Beginn des Räumungstages an der Küchenplattform des Dorfes Nirgendwo.
Es hätte jede und jeden treffen können. Denn die Beschuldigungen sind komplett ausgedacht. Das wissen nicht nur die Menschen, die alles live miterlebten, sondern das zeigen auch die Videos, die die eingesetzte Polizei selbst aufnahm. Sie wurden vor Gericht nicht beachtet, um das Lügengebäude aufrechtzuerhalten. Ob kreativ oder ganz brav, gewaltfrei oder militant – wenn die Staatsmacht ein Opfer sucht, ist ihr jede x-beliebige Person recht. Denn die Beschuldigungen werden frei konstruiert. So lief es im Hambacher Forst, beim Kampf gegen gentechnisch veränderte Nutzpflanzen, als bei Abseilaktionen über Autobahnen Unfälle mit Schwangeren und Kleinkindern erfunden wurden und an vielen anderen Orten. Niemensch ist sicher. Es trifft per Zufall. Aber es trifft. Diesmal traf es … Ella.
Inzwischen hat das Amtsgericht Alsfeld ein Urteil gefällt: 2 Jahre und 3 Monate Haft. Ella ist weiter in Haft. Am Landgericht Gießen wird es zur Berufung kommen. Doch all diese Geschäftigkeit verschleiert nur, was hier geschehen ist – und so oft passiert im Konflikt zwischen Staatsgewalt und sozialen Bewegungen, die sich nicht mit einer Nebenrolle des Jammerns über das scheinbar Unausweichliche zufrieden geben, sondern sich der Zerstörung und Ausbeutung in den Weg stellen. Ella ist ein Zufallsopfer, ausgewählt vom bewaffneten Arm bei Staat und Kapital. Es soll ablenken von den eigentlichen Interessen – in diesem Fall vom Weiter-so einer klima- und umweltzerstörenden Verkehrspolitik, vom rücksichtslosen Durchboxen der von Konzernen gewünschten Infrastrukturen und von der eigenen Gewalt im Niederwerfen des Protestes.
Der Film Ella zeigt, was wirklich geschah.
Ihr könnt ihn euch hier ansehen:
Mehr zum Fall:
https://ella.siehe.website/
Ella sitzt im Gefängnis. Zudem gibt es viele weitere Verfahren wegen der Räumung des besetzten Waldes und dem Kampf gegen die A49. Der „Danni-EA“ und die Haftunterstützung sind da immer noch dran und unterstützen. Wer für diese Antirepressionsarbeit spenden will, kann das tun auf das Konto: „Spenden und Aktionen“, IBAN DE29 5139 0000 0092 8818 06, BIC VBMHDE5F unter dem Stichwort „Antirep A49“.