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Frauenkampf Solidarität

„Die im Dunkeln sieht man nicht.“

Die Corona-Pandemie offenbart die längst vorhandene Krise in der Sorgearbeit

Ohne Fürsorge- und Pflegearbeit wird die Corona-Krise nicht zu bewältigen sein. Und doch erhalten Kranken-, Altenpfleger*innen, Erzieher*innen und Eltern wenig bis gar kein Geld und erlebten bisher nur wenig gesellschaftliche Anerkennung für ihre Arbeit.

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie jedoch machen diese unsichtbare Arbeit sichtbar und verdeutlichen einmal mehr den gesellschaftlichen Wert von Sorge-Arbeit (Care-Arbeit). Denn plötzlich sind sie durch die Corona-Krise als „systemrelevant“ erklärt worden. Aber anscheinend dann doch wieder nicht systemrelevant genug, um ausreichend mit Pflege-/Hygiene-Material geschützt und ausgestattet zu werden oder um an den Diskussionstischen der Krise mit zu sitzen.

Eine neoliberale Politik hat dazu geführt, dass sich die Situation der Sorgearbeit in Institutionen wie Pflegeheimen, Kitas oder Krankenhäusern kontinuierlich verschärft hat. Die Einrichtungen werden im Sinne der Profit-Logik dazu gezwungen, am Personal ebenso wie an einer angemessenen Entlohnung der Care-Beschäftigten zu sparen. Deswegen leiden Krankenpflegekräfte und andere Care-Arbeitende besonders stark unter der Corona-Krise. Sie sind schon im Normalfall am Rande ihrer Kräfte und arbeiten jetzt aus Solidarität mit den erkrankten Menschen immer weiter.

Fürsorge ist unsichtbare Frauenarbeit

Wer kümmert sich um die Kranken in Quarantäne und in den Krankenhäusern? Wer kauft für die Großeltern ein, weil sie nun besser zu Hause bleiben? Wenn Väter und Mütter Home-Office machen müssen, wer ist nebenbei für die Kinderbetreuung zuständig?

Diese Arbeiten werden überwiegend von Frauen verrichtet. Immer noch. Sie sind entweder unbezahlt oder unterbezahlt. In Deutschland liegt der Anteil an Frauen in Pflegeberufen bei fast 76 Prozent. Aktuell erledigen Frauen in deutschen Haushalten 75-80 Prozent der Haushalts-, Fürsorge- und Pflegearbeiten. Ein Teil der Sorgearbeit wird dabei auf schlecht entlohnte, meist migrantische Haushaltsarbeiterinnen verlagert, die noch nicht einmal sozial abgesichert sind. Auch ohne eine gesundheitliche gesamtgesellschaftliche Krise lastet auf Frauen unsichtbare und unbezahlte Arbeit. Die durch den Corona-Virus und die Quarantäne anfallenden Fürsorgearbeiten werden deshalb vor allem auf diese zurückfallen und diese besonders belasten.

Ohne die unbezahlte Arbeit der Frauen würde Kapitalismus nicht funktionieren

Tätigkeiten der Sorge und Pflege werden seit Jahrhunderten stereotypisch, klischeehaft und unhinterfragt Frauen zugeschrieben. In unserer kapitalistischen Gesellschaft wird die unentlohnte Sorgearbeit nicht als Arbeit anerkannt und entsprechend wird ihr auch nicht die dafür notwendige Zeit eingeräumt. Ohne diese Arbeit würde der Kapitalismus jedoch in sich zusammenbrechen. Die Arbeiter*innen wären nämlich gar nicht mehr in der Lage, arbeiten zu gehen: ohne Kochen kein Essen, ohne Putzen ein langsam zerfallendes Haus, ohne emotionale Arbeit, Zuhören und Verständnis zeigen unzufriedene und verzweifelte Menschen. Sowieso gäbe es auch bald überhaupt keine Arbeiter*innen mehr, denn es würden ja gar keine neuen mehr „produziert“: Wenn keine auf die Kinder aufpasst, keine sie stillt, keine sie gesundpflegt, oder wenn sie gar nicht erst auf die Welt gebracht werden, dann gibt es auch bald keine Arbeiter*innenschaft mehr. Diese vom Kapitalismus als „wertlos“, „natürlich“ und „frei verfügbar“ angesehene reproduktive und soziale Arbeit, die unbezahlt bleibt, ist also widersprüchlicherweise die eigentliche Grundlage des Profits – und essentiell für das Überleben des Kapitalismus.

Zunahme häuslicher Gewalt aufgrund von Ausgangsbeschränkungen oder -sperren

Beratungsstellen rechnen infolge der Corona-Krise mit mehr häuslicher und sexualisierter Gewalt. In China war es nach drastischen Quarantänemaßnahmen zur Zunahme häuslicher Gewalttaten gekommen. Zum Teil war die Zahl der Fälle dreimal so hoch wie sonst. In Deutschland versucht statistisch betrachtet jeden Tag ein Mann seine Frau zu töten. Das gelingt ihm an jedem dritten Tag. Mord, Totschlag, Körperverletzung, Bedrohung, Stalking, sexuelle Nötigung, Vergewaltigung oder Zwangsprostitution sind die Facetten der Gewalt gegen Frauen. Nach Angaben des Bundeskriminalamtes erleiden jährlich rund 140.000 Frauen in Deutschland häusliche Gewalt, 147 wurden 2017 von ihren (Ex-)Partnern ermordet. Die Polizeiinspektion Ingolstadt registriert für 2018 404 Fälle von häuslicher Gewalt, zusammen mit den Landkreisen Eichstätt, Pfaffenhofen a.d. Ilm, Neuburg-Schrobenhausen waren es 758 Fälle. Die Dunkelziffer dürfte laut Fachkreisen erheblich höher sein.

Unsere Forderungen

In Deutschland wird für Pflegekräfte geklatscht, aber Wertschätzung allein hilft nicht. Es braucht grundlegende Veränderungen, die aus der vom Kapitalismus erzeugten Care-Krise hinausweisen. Deshalb fordern wir:

  • Bessere Bezahlung für alle Menschen in gesellschaftlich notwendigen Berufen.
  • Gefahrenzulage für Beschäftigte mit direktem Menschenkontakt.
  • Entprivatisierung des Gesundheitssystems.
  • Kostenlose Gesundheitsversorgung für Alle.
  • Kurze Vollzeit von 20 Stunden für alle bei vollem Lohnausgleich oder ein bedingungsloses Grundeinkommen, um Zeitsouveränität für Sorgearbeit und selbstbestimmtes Tätigsein zu ermöglichen.
  • Eine Care-Revolution, bessere Elternzeitregelungen, rechtliche Sicherheit für alternative Familienmodelle, und Einkommensgleichheit zur Überwindung der patriachalen Strukturen.
  • Eine Sorgeökonomie, in der die Bedürfnisse von Menschen im Zentrum stehen und bei der die Sorge um uns selbst, um andere, aber auch für unsere Umwelt die Grundlage unserer Gesellschaft und Wirtschaft darstellt.
  • Allen Frauen, die Gewalt erleiden, muss adäquate Hilfe und Unterstützung zur Verfügung gestellt werden, unabhängig von ihrem Wohnort, Gesundheitszustand, der Herkunft oder dem Aufenthaltstitel.
  • Ein Gesamtkonzept zur Bekämpfung von Gewalt an Frauen, das konkrete Maßnahmen vorsieht.

Für eine gerechtere, feministische und solidarische Zukunft!

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